
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum.
In diesem Raum liegt unsere Macht
zur Wahl unserer Reaktion.
In unsere Reaktion liegen unsere Entwicklung und
unsere Freiheit.“
Dieses Zitat vom österreichischen Neurologe Viktor Frankl ist für mich eine perfekte Zusammenfassung von dem Zen und Yoga Seminar, dass ich unlängst besuchte.
Yoga und Zen im Zen-Kloster Buchenberg
Sieben Tage verbrachte ich im Zen-Kloster in Buchenberg, im Allgäu. Das Programm umfasste jeden Tag etwa 5 Stunden Zen-Meditation (Zazen, das Sitzen in Stille) und 2 Yoga-Einheiten. Jeden Tag den gleiche Ablauf, jedes Element folgt einer ganz festen Struktur, und das hauptsächlich im Schweigen.
Etwa: Aufstehen – Teezeremonie – Zazen – Gehmeditation – Zazen – Frühstuck – Yoga – Zazen – Mittagessen – Zazen/Teisho – Yoga – Zazen – Abendessen – Spülen – Zazen – Nachtruhe
Rinse and repeat…
Verhaltensmuster entdecken
Diese feste Struktur hat mir eine ganz wichtige Lehre gebracht. Wenn es in diesem Ablauf, in dieser Form, nichts zu wählen oder entscheiden gibt, begegnet man ganz schnell den eigenen unbewussten Verhaltensmustern.
Verhaltensmuster umfassen alle Verhaltensweisen die wir unbewusst und automatisch angehen, eigentlich immer in Reaktion auf einen bestimmten Reiz. Ich glaube, dass den Reiz aber oft zwei Elementen umfassen: der äußere Reiz und der innere Reiz. Etwas passiert (äußerer Reiz), darauf kommt eine Emotion oder Gedanke/Vorstellung hoch (innerer Reiz), und danach handeln/reagieren wir.
Mir wurde während das Seminar rasch klar, dass ich ein Problem mit Stress-Reaktionen habe. Okay, ich wusste schon jahrelang, dass Stress mich plagt. Aber wie schlimm, und, vor allem wie sinnlos es ist, war wohl ein Überraschung. Es gab ja nichts stressiges im Programm. Vielleicht war das frühe Aufstehen und viele Sitzen manchmal körperlich anstrengend, aber halt nicht stressig. Vielmehr sollte es wohl ein Auszeit sein… Und dennoch haben das zügige Gehen während der Geh-Meditationen und das schnelle Essen unglaublich starke Stress-Gefühle in mir ausgelöst.
Wenn ich das mit einem der Lehrer besprach, fragte er mich: „Wer fühlt sich gestresst? Hat das wirklich etwas mit deinen Essenz zu tun?“
Er hat recht. Ich hatte beim Essen wohl gesehen, dass der Spüldienst oft schon anfing wenn ich noch mein Nachschub reingeschaufelt habe. Allerdings hat keiner mir gesagt, dass ich schnell Essen sollte. Im Gegenteil, uns war gesagt worden dass wir ruhig aufessen dürften. Die Stress-Reaktion hat also wenig mit der Wirklichkeit zu tun und auf jeden Fall nichts mit meinem wirklichem Selbst.
Gut, was bringt mir diese Erkenntnis jetzt?

Das Endziel des Zens (und Yogas)
Sowohl Zen-Buddhismus als auch das Yoga sind bestrebt die absolute Freiheit zu erlangen. Freiheit von Leiden, wohlgemerkt. Und dort kommt unserer Freund Viktor Frankl wieder: Wie sollten wir Freiheit erlangen, wenn wir von unserer Reaktionen gefesselt sind? Freiheit bedeutet wohl Willensfreiheit. Und jede unbewusste, automatische Reaktion steht unserer Willensfreiheit im Wege.
Genau deswegen ist es wichtig unserer unbewussten Reaktionen bewusst zu werden. Damit wir vielleicht kurz innehalten können, und den Raum zwischen Reiz und Reaktion benutzen können um selber zu entscheiden wie wir reagieren.
Als ich das erkannte, konnte ich sehen das viele vielleicht schon aufgegessen hatten. Dann hat ich den Wahl, etwas schneller zu essen oder einfach langsam zu bleiben. Ich entdeckte, dass ich mich dafür entscheiden konnte etwas schneller zu agieren, ohne dass dabei Stress-Gefühle aufkommen müssen. Es ist ja meine Entscheidung, ohne äußere Druck oder Zwang.
Übung im Alltag bringen
Für solche Erkenntnisse ist es wirklich hilfreich aus den alltäglichen, gewohnte Strukturen zu kommen. Einmal längere Zeit mittels fester Abläufe essen, arbeiten, praktizieren, leben. Bis die alten Verhaltensmuster bloßgelegt werden und wir aktiv eingreifen können um uns davon zu lösen.
So liegt für mich die wesentliche Zen-Übung gar nicht im Meditieren und Still-Sitzen. Nein, vielmehr ist Zen die Form, die Struktur des Handelns. Und das kann man dann mit in den Alltag nehmen. Wie es mir übrigens beim schnelles Essen weiter erging? An dem letzten Tag habe ich mein Mittagessen zügig aber stressfrei gegessen, ohne Angst zu wenig zu bekommen, und bin dann für ein letztes Gespräch zielbewusst mit schnellem Schritte zum Foyer gegangen. Dort entdeckte ich, dass noch 5 Minuten übrig waren. Wie herrlich und entspannt!